Protokoll

Mündliche Überprüfung zur Erteilung der „Erlaubnis zur Ausübung auf dem Gebiet der Psychologie und/oder Psychotherapie“ beim Gesundheitsamt Wiesbaden

01.11.2011

Prüfungsvorsitz: Amtsarzt
Beisitz: Heilpraktiker
Protokollant: Verwaltungsangestellter Gesundheitsamt

1. Die Prüfung begann pünktlich, wie vereinbart. Die Herren stellten sich namentlich mit Handschlag und einem wohlwollenden Lächeln in ausgesprochen freundlicher Atmosphäre vor.

Der Verwaltungsangestellte war locker und freundlich gestimmt, wie schon bei allen vorherigen Kontakten und auch bei Durchführung der schriftlichen Prüfung. Er gab sich viel Mühe, eine gelassene und angemessen heitere Stimmung zu verbreiten. Auf dem Tisch standen Kaltgetränke bereit, von denen ich jederzeit nach Bedarf nehmen könne, „z. B. wenn die Zunge mal trocken würde“. Mir wurde ein Sitzplatz angeboten und ich sah, dass für alle drei Herren Namenschilder vorbereitet waren, so dass es mir leicht fiel, die Herren auch namentlich zuzuordnen. Auch die Herren Amtsarzt und Heilpraktiker vermittelten eine äußerst angenehme Atmosphäre.

2. Der Amtsarzt begann dann sogleich mit einem Einstieg. Zunächst begrüßte er mich noch einmal „offiziell“ und freundlich zu der mündlichen Überprüfung und gratulierte mir zu dem sehr guten Ergebnis der schriftlichen Prüfung, „die ja bereits erfreulich zu hoffen ließe“.

Schließlich erkundigte er sich nach meinem Wohlbefinden und ob ich etwas aufgeregt sei. Auf meine ehrliche Antwort, dass das ganz klar so wäre, schmunzelte er und bat mich, um der verständlichen Aufregung entgegenzuwirken, zunächst etwas zu mir zu erzählen. Dazu griff er Aspekte aus meinem vorab zur Verfügung gestellten Lebenslauf auf und befragte mich nach meiner Motivation, als Heilpraktiker für Psychotherapie tätig zu werden und nannte dazu einige Stationen meines beruflichen Werdegangs. Daraufhin erläuterte ich meine Beweggründe, die er wohlwollend zur Kenntnis nahm.

Anschließend startete der Verwaltungsangestellte mit einer kurzen Erläuterung das Aufnahmegerät und die eigentliche fachliche Prüfung begann.

3. Der Amtsarzt stellte eine Situation dar und bat mich, mir vorzustellen, ich würde an einem Wochenendseminar teilnehmen. Es sei Sonntag und das Seminar hätte am Freitag begonnen. Ein Teilnehmer des Kurses würde nun plötzlich gegen 14.00 Uhr bestimmte Anzeichen zu erkennen geben, die der Amtsarzt darlegte und mich dann fragte, woran ich zunächst denken würde?

Ich erläuterte, dass ich zunächst rasch die Kriterien eines psychopathologischen Befundes abrastern würde. Schließlich fasste ich die für mich wesentlichen Auffälligkeiten nach seiner Schilderung zusammen: Bewusstseinsstörung, Unruhe, Zittern, Schwitzen. Dies würde mich zunächst an ein Delir denken lassen. Daraufhin erläuterte ich unaufgefordert sämtliche in der ICD-10 unter F05 klassifizierten Symptome eines Delirs (hier nicht durch Alkohol bedingt). Diese Symptome würde ich dann weiter bei der Person herauszufinden versuchen.

Der Amtsarzt war mit der Antwort zufrieden und leitete über zu der Frage nach meiner nun folgenden Handlung.

Ich antwortete, dass ein Delir einen psychiatrischen Notfall darstellt und ich sofort einen Notarzt rufen würde. Bei dem Telefonat würde ich sofort auch meine Verdachtsdiagnose mitteilen.

Der Amtsarzt ging tiefer in die Frage ein und wollte wissen, was ich in der Zwischenzeit unternähme, bis der Notarzt einträfe, denn das könne je nach Lage des Seminarzentrums, z. B. in ländlicher Region, durchaus zwischen 15 bis 45 Minuten dauern.

Ich wies darauf hin, wie wichtig es wäre, bei dem Patienten zu bleiben, beruhigend zu ihm zu sprechen und die Aussicht auf bald eintreffende Hilfe zu vermitteln. Würde die betroffene Person sehr stark schwitzen, wäre auch die Gabe von Wasser denkbar.

Der Amtsarzt leitete über zu den Möglichkeiten, die ein Delir verursachen könnten.

Daraufhin nannte ich die Varianten, zu denen auch die regelmäßige Einnahme von Alkohol zählen. Ich erklärte die Unterschiede zwischen dem Kontinuitätsdelir und dem Delir durch Alkoholentzug, nannte die Häufigkeit der Formen, die durchschnittlichen Auftretenszeiten sowie die erhöhte Suggestibilität. Falls die Person Alkoholiker sei, könne der Verdacht eines Alkohldelirs sich verfestigen, da sie möglicherweise seit Freitag abstinent gewesen sein könnte. Ein offenes Fragen nach Alkoholkonsum wäre in einer solchen Situation durchaus angebracht. Es könnte auch sein, dass die Person das angebotene Wasser ablehne und dafür ein Bier von mir erwarte. Eine solche Situation würde ich lösen, indem ich die betroffene Person beruhige und zugestehe, nach Bier Ausschau zu halten. Ich würde dann das Glas Wasser als Bier anbieten, was die Person schließlich höchstwahrscheinlich aufgrund der Suggestibilität annähme.

Der Amtsarzt erkundigte sich nach weiteren Testmöglichkeiten der Suggestibilität.

Ich regte an, die Person weiter zu testen, indem ich sie bäte, einen imaginären Stift für mich zu halten, während ich das Bier einschenken würde. Ein deliranter Mensch würde i. d. R. den tatsächlich nicht vorhanden Stift entgegen nehmen.

Der Amtsarzt zeigte sich mit allen Antworten sehr zufrieden.

4. Als nächstes leitete der Amtsarzt auf einen weiteren Fragenkomplex über . Er bat mich, verschiedene Psychosen zu nennen. Auf ganz übergeordneter Ebene.

Gedanklich rasterte ich die Klassifizierungen der ICD-10 ab und begann mit Störungen bei F0, F1 und gelangte zu F2.

Der Amtsarzt erwartete die Nennung und kurze Erläuterung des sog. „Triadischen Systems“, das ich darstellte.

Auch diese Antworten nahm der Amtsarzt wohlwollend entgegen.

5. Durch meine Aufzählung von Störungen, die beispielhaft in das Triadische System eingeordnet werden können, griff der Amtsarzt das Stichwort „Schizophrenie“ auf und bat mich zu erklären, woran diese Störungen erkennbar sind.

Ich nannte zunächst die allgemeinen neun diagnostischen Leitlinien der ICD-10, die den Amtsarzt zufrieden stellten. Er bat daraufhin, Formen von Halluzinationen zu benennen.

Ich nannte alle sechs plus die Sonderform mit den jeweiligen Fachbegriffen, die ich jeweils erklärte. Damit war Amtsarzt sehr zufrieden. Er erkannte, dass ich nicht nur auswendig gelernte Begriffe „herunterdeklinierte“, sondern auch Inhalte zuordnen kann. Als ich mich bei den Bedeutungen der „olfaktorischen“ und „gustatorischen“ Halluzinationen versprach, schmunzelte er, und fragte nach, was olfaktorsiche Halluzinationen seien. Ich konnte mich rasch berichtigen und die Antwort stellte ihn zufrieden.

Der Amtsarzt wechselte zur Schizophrenia simplex und bat mich um Erläuterung der Störung.

Ich benannte die Kennzeichen gem. ICD-10, die Behandlungsweisen, d. h. die üblichen Therapieformen und die Schwierigkeit, diese Diagnose zuverlässig stellen zu können. Ich wies daraufhin, dass diese Schizophrenieform, im Gegensatz zu den anderen, eher nicht medikamentös behandelt würde.

Daraufhin bat mich der Amtsarzt, weitere mir bekannte Schizophrenieformen zu benennen.

Ich erläuterte die paranoid halluzinatorische, die hebephrene und die katatone Schizophrenie und teilte sie jeweils epidemiologisch zu, was dem Amtsarzt gut zu gefallen schein. Hier arbeitete ich noch die jeweiligen Unterschiede zueinander und zur Schizophrenia simplex heraus.

Mit diesen Antworten war der Amtsarzt ebenfalls sehr zufrieden.

6. Der Amtsarzt wechselte zu Notfallsituationen und bat mich um Beispiele.

Ich griff das unter 3.) genannte Delir auf und nannte weitere Beispiele.

Der Amtsarzt bat mich, mir vorzustellen, ich hätte einen Patienten in meiner Praxis, der äußerst aggressiv werden würde und begänne, „Ihre Praxis nach und nach zu zerlegen“. Was würde ich tun?

Ich antwortete, zunächst wäre ich sicher erschrocken, entsetzt und würde selbst zu schwitzen beginnen. (Er lachte). Zunächst würde ich versuchen, den Patienten verbal zu beruhigen. Sollte mir das nicht gelingen, würde ich ihm sagen, dass ich die Polizei rufen würde, wenn er sein Verhalten nicht ändere. Würde der Patient weiterhin nicht einlenken, würde ich die Polizei tatsächlich rufen. Auf eigenen Körpereinsatz würde ich in jedem Fall verzichten. Ich würde mich am Telefon als HP für Psychotherapie zu erkennen geben, den Sachverhalt schildern und um Unterstützung sowie Transport des Patienten in ein psychiatrisches Krankenhaus bitten.

Der Amtsarzt war damit zufrieden und wechselt zum Thema 7.

7. Der Amtsarzt bat mich, die Sachverhalte und rechtlichen Grundlagen zur Unterbringung darzustellen.

Ich wies auf die beiden Möglichkeiten hin, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehen, Menschen mit psychischen Erkrankungen auch ohne deren Einwilligung in einer geschlossenen Abteilung in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen.

Ich erläuterte zunächst die bundeseinheitliche Regelung der Betreuung (§§ 1906 ff. BGB [Betreuungsrecht]), die entsprechenden Zusammenhänge und Voraussetzungen, wie z. B. die hier bestehende Möglichkeit der Unterbringung ausschließlich bei Eigengefährdung.

Als zweites erläuterte ich die rechtliche Regelung auf Landesebene, die sich in den jeweiligen Bundesländern unterscheiden. Für Hessen ist das Freiheitsentziehungsgesetz (FrhEntzG) die Basis für eine Unterbringung, die ich weiter darstellte, wie z. B. die Möglichkeit der Unterbringung im Falle von „Gefahr in Verzug“ sowie für die Varianten Eigen- und/oder Fremdgefährdung.

Ich erläuterte auf Nachfragen des Amtsarztes die verantwortlichen Personen und formalen Abläufe der Antragstellung, die Vorgehensweise des zuständigen Richters sowie die maximale Frist der Unterbringung bis Eingang des richterlichen Beschlusses in Hessen.

Der Amtsarzt war mit diesen Ausführungen ebenfalls zufrieden.

8. Nach dieser Frage, stand der Amtsarzt lächelnd auf, reichte mir die Hand und beglückwünschte mich zur bestandenen Prüfung! Er könnte jetzt „stundenlang so weiter machen mit mir, er habe aufgrund meiner schriftlichen Ergebnisse zwar nichts anderes erwartet, aber es hätte ihm Spaß gemacht, die Prüfung mit mir durchzuführen.“ (Na das ging runter wie Öl…)

Fazit: Super glücklich! – Wie meine Ausbilderin immer wieder empfohlen hat, ist es von großem Vorteil, sehr gut vorbereitet zu sein, so dass die Antworten flüssig gegeben werden können. Nachdenken ist, zumindest in meiner Prüfung, durchaus in Ordnung. Aber es war hilfreich, eine gewisse Dynamik und damit Sicherheit zeigen zu können. Ein weiterer guter Tipp (neben unzähligen anderen) der Ausbilderin war, die korrekten Bezeichnungen, Fachausdrücke und Zuordnungen parat zu haben und gleichzeitig auch „auf Deutsch“ die Hintergründe zu kennen. In meinem Fall erschien es hilfreich, einerseits nicht ausschließlich Auswendiggelerntes abzuspulen und andererseits präzise und fallbezogen die Nomenklatur erläutern zu können. – Allen denjenigen, die ihre Prüfung noch vor sich haben: Alles Gute und viel Erfolg!